Von den Anfängen als Selbsthilfeverein in den 1920er Jahren hin zum heute modernen hochschulübergreifenden Dienstleistungsunternehmen – Komm mit auf eine kleine Reise durch spannende und bewegte 100 Jahre Studierendenwerk Hamburg.
Los geht's!
Die wirtschaftliche Not aller Studierenden lindern, unter „Ausschluss des Austragens politischer und weltanschaulicher Gegensätze“ – das ist das Ziel des im April 1922 von Professoren, Studierenden und Kaufleuten gegründeten Vereins „Hamburger Studentenhilfe“.
Das heißt zunächst: Wohnraum schaffen und für Verpflegung sorgen. Die Lebenshaltungskosten in Hamburg sind hoch, in den turbulenten Inflationsjahren verschärft sich die Notlage dramatisch. Ein kontinuierliches Unterstützungsangebot für Studierende ist daher dringend erforderlich. Dieses wird im Laufe der Zeit sehr vielfältig: Es reicht von der Arbeitsvermittlung über den Verkauf gebrauchter Bücher bis hin zur Vergabe von Darlehen.
1926 wird ein hauptamtlicher Geschäftsführer angestellt, gegen Ende der 20er Jahre arbeiten durchschnittlich ca. 60 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Verein. Die Studentenhilfe entwickelt sich zu einer unverzichtbaren Institution.
Gründung der „Hamburger Studentenhilfe"
Die Errichtung der „Hamburgischen Universität“ am 28. März 1919 – der ersten durch ein demokratisch legitimiertes Parlament gegründeten Hochschule in Deutschland – entsteht in einer Zeit großer existenzieller Not der Bevölkerung, einschließlich der Studierenden. Hilfeleistungen sind daher dringend notwendig. Die Studentenhilfe soll die existenziellen Schwierigkeiten der Studierenden angehen – und hat klare Prioritäten: Studentenspeisung und Wohnraum.
Eröffnung des ersten Wohnheims, am Dulsberg in der Elsässer Straße 8–10
Eröffnung der ersten Mensa, der mensa academica, an der Rentzelstraße
Eröffnung des Studentenhauses in der Neuen Rabenstraße 13
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten entfernt sich die Studentenhilfe Hamburg schnell von ihren Grundprinzipien. Der Verein verliert nicht nur seinen ursprünglichen Namen, sondern auch seine Unabhängigkeit. Das neue Studentenwerk wird Teil des NS-Staats.
Die pluralistischen Werte werden durch den Idealtypus des männlichen, „arischen“ und in der nationalsozialistischen Weltanschauung gefestigten Studenten ersetzt. Dementsprechend werden die Hilfeleistungen gelenkt, bei der Vergabe von Stipendien etwa tritt das Kriterium der Bedürftigkeit zunehmend in den Hintergrund.
Die Universität wird vollends nationalsozialistisch geprägt: Ein Fünftel der Professoren wird entlassen, alle kommunistischen, sozialdemokratischen und pazifistischen Studierendenverbände werden verboten. Im Zweiten Weltkrieg wird Hamburg im Sommer 1943 als eine der ersten deutschen Großstädte Ziel von großflächigen Bombenangriffen. Der Alltag an der Universität kommt immer mehr zum Erliegen.
Einrichtung von „Kameradschaftshäusern“
In den Wohnheimen sollen die Studierenden nach nationalsozialistischen Vorstellungen geformt werden. Die Einrichtungen werden allerdings aufgrund des militärisch straffen Tagesablaufs von den Studierenden abgelehnt.
Neue Satzung:
Aus der Studentenhilfe wird das nationalsozialistisch geformte Studentenwerk
Auflösung des Studentenwerks und Eingliederung in das Reichsstudentenwerk
Das Studentenwerk Hamburg wird zur Dienststelle des Reichsstudentenwerks und ist damit keine unabhängige Organisation mehr. Personelle Entscheidungen z. B. liegen nicht mehr in seinen Händen.
Am 6. November 1945 wird die Hamburger Universität wiedereröffnet. Die Studierenden stehen vor existenziellen Herausforderungen. Es mangelt ihnen oft am Notwendigsten: Kleidung, Lebensmittel, Unterkünfte. In dieser Situation ist eine Unterstützungsorganisation für die Studierenden dringend nötig.
Die Studentenhilfe wird von engagierten Universitätsmitgliedern wieder ins Leben gerufen. Bereits bis Dezember 1945 werden sechs Abteilungen eingerichtet: Studienförderung, Mensa, Krankenversorgung und Unfallversicherung, Bücherei, Arbeits- und Zimmervermittlung sowie eine Beratungsstelle. Oberste Priorität haben Wohnraum und Studentenspeisung.
Der Wiederaufbau wird sich einige Jahre hinziehen, doch mit der Währungsreform stabilisiert sich die Lage. Eine Studienbeihilfe wird eingeführt und es entstehen mehr studentische Arbeitsplätze. Mit dem Aufschwung organisiert sich die Studentenhilfe neu und plant wieder langfristig.
Beginn des Wiederaufbaus der Studentenhilfe. Professor Eisfeld wird damit beauftragt, einen Ausschuss „Studentenhilfe“ zu gründen.
Beschlagnahmung des Studentenhauses in der Neuen Rabenstraße 13 durch die britische Besatzungsmacht. Daraufhin wird die Studentenhilfe im Gebäude Tesdorpfstraße 20 untergebracht. Dort befindet sich auch ein Notquartier mit 20 Schlafplätzen.
Neugründung der „Hamburger Studentenhilfe e. V.“
Bezug des neuen Studentenhauses auf dem heutigen Campus Von-Melle-Park
Eröffnung des ersten Wohnheims nach dem Krieg in der Grindelallee
In den 50ern beginnt eine Entwicklung, die ab den 60ern Fahrt aufnimmt: Immer mehr junge Menschen strömen an die Universitäten. Der Zugang zu akademischer Bildung wird einfacher – vor allem für Frauen, aber auch für „Arbeiterkinder“. Die große Anzahl der Studierenden stellt das Studentenwerk vor hohe Herausforderungen. Mehr Mensa- und Wohnheimplätze werden nötig.
Doch nicht nur das: Die Nachkriegsgeneration bringt neue Ideen und eine Menge kritischer Fragen mit. Die „68er-Bewegung“ erfasst die Bundesrepublik und auch die Universität Hamburg. Die Studierenden fordern u. a. mehr Mitspracherechte an den Universitäten. Neue Konzepte für die Selbstverwaltung der Universitäten müssen Hand in Hand gehen mit zeitgemäßen Ideen für Unterbringung, Versorgung und Finanzierung der neuen Studierendengeneration.
In den 1970er Jahren ändert sich einiges für das Studentenwerk. Als Folge der Einführung des BAföG werden seine Aufgaben und Rechtsstellung erstmals auch gesetzlich fixiert.
Von 1960 bis 1980 wird die Zahl der Wohnheimplätze von insgesamt 130 auf 2.062 Plätze erhöht.
In jedes Wohnheim zieht eine Lehrkraft ein, die als „Protektor“ den Studierenden in den Wohnheimen mit Rat und Tat zur Seite steht und demokratische Werte vermittelt.
Mehrtägiger Mensastreik gegen geplante Preiserhöhungen:
Studierende fordern höhere staatliche Zuschüsse ein.
auf die Fachhochschule Hamburg, die Staatliche Hochschule für Musik und darstellende Kunst, die Staatliche Hochschule für bildende Künste sowie die Hochschule für Wirtschaft und Politik
Neu im Portfolio: Kinderbetreuung
Das Studentenwerk übernimmt die Trägerschaft der Kindertagesstätte im Studentinnenwohnheim Bornstraße.
AöR und BAföG
Das Studentenwerk wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts und Amt für Ausbildungsförderung.
Sechsmonatiger Mietstreik
für den Bau neuer Wohnanlagen und gegen Mieterhöhungen
Das Studentenwerk, einst gestartet als studentischer Selbsthilfe-Verein, entwickelt sich bis Ende der 90er Jahre zu einem eigenständigen Dienstleistungsunternehmen. Seine Angebote sollen den unterschiedlichen Lebensmodellen der Studierenden gerecht werden. Der Dienst am Kunden, den Studierenden, steht im Mittelpunkt des Handelns.
Wechselnde politische Rahmenbedingungen und sich verändernde Bedürfnisse der Studierenden verlangen dabei Anpassungsvermögen in allen Service-Bereichen. Die sozialen Unterstützungsangebote werden ausgebaut und in den Mensen wird das Angebot vielfältiger.
Zum 75-jährigen Jubiläum im Jahr 1997 werden 450 Mitarbeitende beschäftigt, die für rund 62.000 Studierende an sechs Hochschulen in Hamburg tätig sind.
Vegetarische Gerichte und Reformkost
– Fester Bestandteil des Essensangebots
Einführung einer Allgemeinen Sozialberatung
Sie steht allen Studierenden offen, die sich in finanziellen, psychosozialen oder allgemeinen sozialen Schwierigkeiten befinden.
852 neue Wohnheimplätze entstehen.
Das neue Jahrtausend beginnt für das Studierendenwerk mit harten Sparmaßnahmen aufgrund von Kürzungen des städtischen Zuschusses und der Anforderung, wettbewerbsfähig zu werden.
Die hohen Qualitätsansprüche des Studierendenwerks werden gleichwohl aufrechterhalten und zukunftsweisende Investitionen getätigt – etwa in den Ausbau der bestehenden und den Aufbau neuer Mensen und Cafés. An das veränderte Konsumverhalten der Studierenden passt sich das Studierendenwerk an und macht mit modernen Konzepten auf sich aufmerksam. Strukturelle Veränderungen der Organisation des Studierendenwerks garantieren dessen Wettbewerbsfähigkeit und erhöhen seine Flexibilität. Diese sind enorm. In den 00er und 10er Jahren lautet die Devise: internationaler, digitaler und nachhaltiger werden. Die erweiterten Angebote richten sich an eine vielfältige Studierendenschaft und berücksichtigen ganz unterschiedliche Bedürfnisse.
In der Corona-Pandemie setzt das Studierendenwerk seine ganze Erfahrung ein, um schnelle, unkomplizierte Lösungen zu finden.
Ein neues Studierendenwerksgesetz tritt in Kraft.
Das Studentenwerk Hamburg wird in Studierendenwerk umbenannt und nach privatwirtschaftlichem Vorbild organisiert. Es bleibt jedoch eine Anstalt öffentlichen Rechts.
Das „Beratungszentrum Studienfinanzierung – BeSt“ nimmt seine Arbeit auf. Es ist deutschlandweit das erste seiner Art.
Eröffnung des Beratungszentrums „Soziales & Internationales“
Das Studierendenwerk ergänzt die Kinderbetreuung durch flexible Betreuungsangebote.
Einführung des „Klimatellers“, bei dessen Zubereitung emissionsarme Lebensmittel verwendet werden – eines von mehreren nachhaltigen Angeboten im Bereich der Hochschulgastronomie.
Eröffnung des ersten „insgrüne“-Café am Botanischen Garten. Gesunde Snacks und fair gehandelter Kaffee ergänzen das klassische Mensa-Angebot.
Das Hamburg Stipendium wird ins Leben gerufen,
um Studierende zu unterstützen, die ihr Studium aus besonderen Lebenssituationen heraus erfolgreich absolvieren.
Vorstellung des Masterplans Wohnen
Bis 2030 sollen 2.000 Wohnheimplätze neu geschaffen werden.
Novellierung des Studierendenwerksgesetzes
Das Studierendenwerk ist nun im Bereich Wohnen auch für Auszubildende zuständig – und ist damit deutschlandweit Vorreiter.
Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf das gesamte studentische Leben.
Schnell wird als finanzielle Überbrückungshilfe das Hamburger Corona-Notfalldarlehen für Studierende eingerichtet. To go-Angebote sichern die Verpflegung, die Beratung wird zeitwiese komplett auf telefonische und digitale Angebote umgestellt.
Als moderner Dienstleister ist es heute für 73.000 Studierende und 7 Hochschulen zuständig.